Die Reinheim-Reichelsheimer Eisenbahn ...

Vorbemerkung: dieser Beitrag soll nur das vorläufige Ergebnis meiner "Ermittlungen" zum Thema RRE liefern, da ich z.Z. noch auf der Suche nach historischem Material (vor allem Bilder) bin. Wer mich dabei unterstützen möchte (natürlich auch mit aktuelleren Bildern und Infos), kann mir gerne eine Nachricht/email zukommen lassen. Ich würde mich sehr darüber freuen!

Bedanken möchte ich mich beim Senior-Chef des "Kühlen Grunds", Herrn Gerhard Trautmann, der mir einige historische Bilder zur Verfügung gestellt hat.







DB-Kursbuch-Karte von 1957 ...

Vorgeschichte


Bereits Mitte der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts entstanden viele kühne Pläne zur eisenbahnmäßigen Erschließung des Odenwalds, nachdem die Hessische Ludwigsbahn schon 1846 ihre Strecke entlang der Bergstraße von Darmstadt nach Heidelberg in Betrieb genommen hatte. Die einen forderten eine Strecke von Darmstadt über Ober-Ramstadt, Groß-Bieberau, Brensbach, Bad König nach Michelstadt, andere wollten eine Verbindung von Worms über Heppenheim, Fürth, Michelstadt nach Miltenberg und weiter über Wertheim nach Würzburg (1867), wieder andere sahen die Zukunft in einer Strecke von Reinheim über Reichelsheim, Fürth und Weinheim nach Mannheim (1870), ein Projekt, das 4 Jahrzehnte lang die Gemüter bewegte, auch dann noch (oder erst recht), als Reichelsheim und Fürth bereits mit der Bahn erreichbar waren und gerade mal eine Lücke von 10 Kilometern zu schließen gewesen wäre.

Entstehung

Ernsthaft ins Gespräch kam der Bau einer Gersprenztal-Eisenbahn dann erstmals Ende 1868, wobei man bereits mit einer Strecke von Reinheim nach Brensbach zufrieden gewesen wäre. 1872 ließ dann die Hessische Ludwigsbahn Vermessungen im Gersprenztal durchführen, ihre Bemühungen zur Erteilung einer Konzession blieben jedoch erfolglos. 1884 dann der nächste Versuch: erneut wurden "generelle Vorarbeiten" zum Bau einer Bahnlinie Reinheim - Reichelsheim durchgeführt. Warum der Bahnbau dann doch wieder unterblieb: mer waas es net. Ende 1886 wurde dann wieder mal mit Vermessungen begonnen, und am 17.03.1887 erhielt schließlich das "Eisenbahn - Consortium Darmstädter Bank - Herrmann Bachstein" die Konzession zum Bau und Betrieb der Reinheim - Reichelsheimer Eisenbahn (RRE). Unverzüglich wurden die Bauarbeiten aufgenommen, und bereits ein knappes halbes Jahr später war die 17,9 Km lange Strecke fertiggestellt, da die Trasse im wesentlichen parallel der Gersprenztalstraße führte und es fast keine natürlichen Hindernisse zu überwinden gab (Ausnahme: der 38 m lange Reinheimer Tunnel, bei dessen Bau ein Einschnitt gegraben wurde, der nach Fertigstellung des Tunnelgewölbes wieder zugeschüttet wurde). Das rollende Material stand rechtzeitig zur Bauabnahme am 26.09.1887 zur Verfügung, so daß der planmäßige Betrieb am 10.10.1887 aufgenommen werden konnte, wobei der geplante Termin (01.09.1887) nicht ganz eingehalten werden konnte.




Zur Eröffnung der RRE verfaßte ein unbekannter Reimer aus Reichelsheim dieses Gedicht ...

Betreiber


Knapp 8 Jahre wurde der Betrieb dann von besagtem "Eisenbahn - Consortium" durchgeführt. Bereits am 11.04.1895 ging die RRE dann an die Süddeutsche Eisenbahn - Gesellschaft (SEG) über, die den Betrieb bis 1953 durchführte. In diesem Jahr wurde die Bahn der Hessischen Landesbahn GmbH (und damit dem Land Hessen) übereignet, die Verwaltung und Betriebsführung übernahm die Deutsche Eisenbahn - Gesellschaft (DEG). In den folgenden Jahren ging das Verkehrsaufkommen immer mehr zurück, der Zustand der Strecke und die Überalterung des rollenden Materials hätten der Hessischen Landesbahn Millionen - Investitionen abverlangt, also wurde in einem ersten Schritt der Personenverkehr zum 26.05.1963 eingestellt und auf die Straße verlegt. Ende Mai 1964 wurde auch der Güterverkehr auf dem Abschnitt Groß-Bieberau - Reichelsheim eingestellt, und bereits Anfang August diesen Jahres begann der Abbau der Gleisanlagen. Der Streckenabschnitt Reinheim - Groß-Bieberau dagegen ist bis heute erhalten geblieben. Die Verwaltung erfolgt durch die DEG, die seit 1999 als 100%ige Tochter zur französischen Connex-Gruppe gehört, die wiederum zum Vivendi-Konzern gehört. Die Betriebsführung liegt weiterhin bei der GBRE (Groß-Bieberau - Reinheimer Eisenbahn GmbH), einem Tochterunternehmen der Odenwälder Hartstein - Industrie (OHI).

Strecke
Bahnhof Reinheim (Km 0,0): war als Gemeinschafts- und Übergabebahnhof mit der Hessischen Ludwigsbahn (und ihren Nachfolgern) angelegt, wobei zur RRE lediglich die Gleise südlich des Hauptdurchgangsgleises gehörten (im nebenstehenden Gleisplan rot dargestellt). Die Sicherung der Zugfahrten wurde vom Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk I (neben dem Bahnübergang) durchgeführt, der auch die Rangierbewegungen der RRE-Züge beaufsichtigte. Die Einfahrt aus Richtung Reichelsheim sicherte das Einfahrsignal B. Nach der Einstellung des Personenverkehrs wurden alle ehemaligen RRE-Gleise abgebaut, lediglich die Weiche zur Einfädelung in die Darmstädter Strecke und das Einfahrsignal blieben erhalten. Heute fahren die Güterzüge aus/nach Groß-Bieberau in der Regel in das bahnsteiglose Gleis 3 ein und aus.

ursprünglicher Gleisplan des Bf. Reinheim (Odw.)

Gleisplan des Bf. Reinheim (Odw.) 2001

Bahnhof Reinheim
Haltepunkt Reinheim Hp (Km 1,0): liegt direkt am südlichen Tunneleingang. Den Fahrkartenverkauf tätigte der Schrankenwärter, in dessen Wärterbude zu diesem Zweck ein Schalterfenster eingebaut war.
Bahnhof Groß-Bieberau (Km 3,3): aufwendig gestaltete sich der Bahnbau in Groß-Bieberau, da die geplante Trasse vom Straßenverlauf abwich und im Ortsbereich durch sage und schreibe 88 Grundstücke geführt werden mußte. Auch den am Ortseingang aus Richtung Reinheim gelegenen Bahnhof hätte die Gemeinde lieber näher am Ortskern gesehen (Bemühungen in dieser Hinsicht wurden bis in die 20er-Jahre von der RRE regelmäßig abgeschmettert). Außerdem war man mit seinem mickrigen Erscheinungsbild wohl nicht so ganz zufrieden, zumal es (unbestätigte) Gerüchte darüber gab, daß das eigentlich für Groß-Bieberau vorgesehene Bahnhofsgebäude in Brensbach gebaut wurde. Über den Gleisplan gibt die nebenstehende Zeichnung Auskunft, trotz einiger kleinerer Anpassungen hat sich am ursprünglichen Gleisplan nicht sehr viel geändert. Signale gab es keine, nur die üblichen Trapeztafeln als Einfahrsignalersatz. Besetzt war der Bahnhof mit einem Vorsteher und einem 2. Mann, die quasi im 2-Schicht-Betrieb den Verkehrs- und Betriebsdienst abwickelten. Heute ist Groß-Bieberau der Endpunkt der Strecke. Immerhin sind vom ursprünglichen Streckengleis Richtung Reichelsheim noch etwa 300 m Gleis übriggeblieben, die weiterhin als Abstellgleis für die Schotterwagen dienen. Auch die kleine Gersprenzbrücke am südlichen Ortsausgang liegt noch, allerdings ohne Gleise. Ein Nebengebäude mit der früheren Dienstwohnung des Vorstehers wurde 1986 abgerissen, das Bahnhofsgebäude selbst mit angebautem Güterschuppen existiert heute noch, es beherbergt die Speisegaststätte "Odenwälder Lieschen", deren Biergarten auf dem Bahnsteig und der Rampe des Güterschuppens einen Hauch von Kleinbahnromantik vermittelt, auch wenn zu den Öffnungszeiten der Zugverkehr ruht ...

ursprünglicher Gleisplan des Bf. Groß-Bieberau

Gleisplan des Bf. Groß-Bieberau 2001

Bahnhof Groß-Bieberau

Bahnhof Groß-Bieberau

Schotterverladung und Abstellplatz der V 36 im Bahnhof Groß-Bieberau
Haltestelle Wersau (Km 6,7): viel gibt es hier nicht anzumerken, neben dem Bahnsteiggleis gab es ein durch Gleissperre gesichertes aus Richtung Reichelsheim angeschlossenes Ladegleis mit einer Nutzlänge von 50 m. Die Haltestelle war unbesetzt, so daß der Wirt des direkt neben der Haltestelle liegenden Gasthauses "Zum Kühlen Grund", der übrigens an das Fernsprechnetz der RRE angeschlossen war, den Fahrkartenverkauf übernahm.

Gleisplan der Hst. Wersau

der Kühle Grund in den 30er-Jahren ...
Bahntechnisch war's das schon! Deshalb abschließend noch eine gastronomische Anmerkung: den "Kühlen Grund" gibt's auch heute noch. Er ist ein beliebtes Speiselokal mit kleinem Biergarten und Übernachtungsmöglichkeiten, der vor allem durch seine hervorragende Küche bekannt ist. Besonders zu empfehlen ist das alljährlich Mitte Mai stattfindende Spargel-Buffet! Und sollte vielleicht doch mal einer von Euch auf den Spuren des Lieschen's wandeln:
Do gäiht mer äwwe mol hie!!!
Bahnhof Brensbach (Km 8,3): am nördlichen Bahnsteigende zweigte das Ausweichgleis mit einer Nutzlänge von 55 m ab, an das sich das Ladegleis mit 65 m Nutzlänge schloß, das dann wieder ins Hauptgleis in Richtung Reinheim mündete. Brensbach war als einziger Bahnhof der RRE mit Einfahrsignalen ausgestattet, sie waren jedoch nicht mit den Einfahrweichen gekoppelt. Das Bahnhofsgebäude steht auch heute noch fast unverändert, lediglich der angebaute Güterschuppen wurde um eine Etage aufgestockt. Auch das kleine Nebengebäude, das früher unter anderem als Toilettenhäuschen diente, existiert noch (na als was wohl? ... richtig: als Garage). Anfangs war der Bahnhof wie üblich mit einem Vorsteher und einer zweiten Kraft besetzt, später genügte auch hier ein Mann. Die betrieblichen Aufgaben übernahmen dann die Zugführer, die auch die Schranken (in südlicher Richtung am Bahnsteigende) bedienen mußten.

Gleisplan des Bf. Brensbach

Bahnhof Brensbach

Bahnhof Brensbach
Haltepunkt Nieder-Kainsbach Hp (Km 10,6): da der Haltepunkt unbesetzt war, erfolgte der Fahrkartenverkauf (wie auch in Unter- und Ober-Gersprenz) in nahegelegenen Gaststätten.
Bahnhof Nieder-Kainsbach - Fränkisch-Crumbach (Km 11,2): neben dem durchgehenden Hauptgleis gab es ein kurzes Ausweichgleis mit knapp 40 m Nutzlänge. Daran schloß sich in Richtung Reichelsheim das Ladegleis mit Gleiswaage, das zeitweise auch als Anschlußgleis für verschiedene Firmen fungierte. Signale gab es keine, stattdessen die üblichen Trapeztafeln (an Stelle von Einfahrsignalen). Das Bahnhofsgebäude wurde im Laufe der Jahre mehrfach umgebaut. Heute befindet es sich in Privatbesitz, es liegt auf dem Gelände der Schlosserei Götz direkt neben der B 38 und präsentiert sich fast im gleichen (äußerlichen) Zustand wie eingangs der 60er-Jahre. Anfangs war der Bahnhof mit einem Vorsteher und einer 2. Kraft besetzt, zum Schluß wickelte ein Agent die Dienstgeschäfte ab.

Gleisplan des Bf.Nieder-Kainsbach-Fränkisch-Crumbach

Bahnhof Nieder-Kainsbach-Fränkisch-Crumbach
  Auch in Fränkisch-Crumbach hat sich die Erinnerung an's Liesje gehalten, immerhin gibt's die "Bahnhofstraße" auch heute noch, und auch das Heimatmuseum hält die Erinnerung hoch. Fränkisch-Crumbach - etwas abseits gelegen vom Durchgangsverkehr des Gersprenztals - lohnt auf jeden Fall einen Besuch! Auch gastronomisch hat der staatlich anerkannte Erholungsort im Rodensteiner Land Einiges zu bieten. Besonders zu erwähnen sind da vor allem die Linde, das Hexenhäuschen, der Dicke Schorsch oder die Crumbacher Stuben ...
Haltepunkt Unter-Gersprenz (Km 12,6)
Haltepunkt Ober-Gersprenz (Km 13,7)
Bahnhof Kirch- und Pfaffen-Beerfurth (Km 14,9): neben dem durchgehenden Hauptgleis gab es ein beidseitig angeschlossenes Nebengleis mit einer Nutzlänge von 100 m, das gleichzeitig als Kreuzungs- und Ladegleis diente. Im Gegensatz zu den anderen Bahnhofsgebäuden der RRE, die alle aus hellem Buntsandstein gebaut wurden, war das Bahnhofsgebäude von Beerfurth ein einfacher, kleiner Backsteinbau. Auch er wurde mehrfach umgebaut und dient heute als Wohnhaus. Besetzt war der Bahnhof mit einem Agenten, der keine betrieblichen Aufgaben wahrnahm, sondern lediglich verkehrsdienstlich tätig war..

Gleisplan des Bf. Kirch- und Pfaffen-Beerfurth
Haltestelle Bockenrod (Km 16,2): wie in Beerfurth gab es hier ein zweiseitig angeschlossenes Nebengleis mit einer Nutzlänge von etwa 90 m, das jedoch nur als Ladegleis diente, da hier keine Zugkreuzungen vorgesehen waren und somit auch die obligatorischen Trapeztafeln (als Einfahrsignalersatz) fehlten. Auch hier wirkte ein sogenannter Agent, der in einer Wellblechbude seinen verkehrsdienstlichen Aufgaben nachging.

Gleisplan der Hst. Bockenrod
Bahnhof Reichelsheim (Km 17,9): Reichelsheim war nicht nur Sitz der RRE-Verwaltung, die im Erdgeschoß des Bahnhofsgebäudes untergebracht war, sondern auch als Zugbildungsbahnhof einschließlich Lokschuppen und Werkstatt der Betriebsmittelpunkt. Der Reichelsheimer Fahrdienstleiter fungierte auch als Zugleiter für die Gesamtstrecke ausschließlich des Bahnhofs Reinheim. Relativ großzügig dimensioniert waren im Vergleich zu den übrigen RRE-Bahnhöfen sowohl die Gleisanlagen als auch das Empfangsgebäude mit dem angebautem Güterschuppen. Als einziger Bahnhof verfügte Reichelsheim über 2 Bahnsteige. Signale gab es allerdings auch hier nicht, dafür die gewohnte Trapeztafel anstelle eines Einfahrsignals. Von den Reichelsheimer Bahnanlagen ist heute leider nichts mehr übrig, das Bahnhofsgebäude wurde 1980 abgerissen, das restliche Bahngelände anderweitig genutzt.

Gleisplan des Bf. Reichelsheim

Fahrzeuge


DEG 146 aufgenommen in Bindweide am 22.05.1988


V 36 in Groß-Bieberau am 23.02.1987


V 62 der FVE in Groß-Bieberau am 05.05.1989


V 36 in Groß-Bieberau am 26.05.2001

Zur Erstausstattung der RRE gehörten 2 zweiachsige Tenderloks (gebaut von Hartmann & Sohn, Chemnitz), 4 Personenzugwagen 3. Klasse, 4 Personenzugwagen 2./3. Klasse, 1 Post-/Gepäckwagen, 1 offener und 1 gedeckter Güterwagen sowie 1 Bahnmeistereiwagen. Mit steigendem Verkehrsaufkommen wuchs der Bedarf an leistungsstärkeren Loks, so daß die kleinen Zweikuppler durch Maschinen der Bauart T 3 abgelöst wurden. Weiterhin wurden Mallet-Loks bei der RRE eingesetzt, jedoch lassen sich die genauen Einsatzzeiträume größtenteils nicht mehr genau ermitteln, da die SEG als Betreiber über etliche Nebenbahnen verfügte und somit ihre Loks öfters zwischen den Einsatzgebieten tauschte. 1935 gehörten 5 Loks zum Bestand der RRE. Bei der Übernahme der Bahn durch die DEG waren 3 Mallet-Loks vorhanden, und 1960 kamen noch 2 ELNA's hinzu, die zuvor bei der Kleinbahn Jauer - Maltsch und ab 1944 bei der ebenfalls zur DEG gehörenden Kiel - Segeberger Eisenbahn Dienst taten. Die Mallet-Loks wurden 1963 bzw. 1965 verschrottet, eine ELNA (die DEG 140) ebenfalls 1965, die zweite ELNA (DEG 146) kam am 01.07.1963 zur BLE (Butzbach - Licher Eisenbahn), von dort zu den Stahlwerken Südwest in Geisweid, heute gehört sie zum betriebsfähigen Bestand des Eisenbahnmuseums Bochum - Dahlhausen. 1931 kam dann der erste Triebwagen bei der RRE zum Einsatz. Der mit einem 50-PS-Benzinmotor ausgestattete Triebwagen wurde von der Kaiserstuhlbahn gekauft, er brannte 1933 nach einem Unfall aus und wurde verschrottet. Als VT 23 kam dann 1935 ein fabrikneuer MAN-Dieseltriebwagen zum Einsatz, der bis zur Einstellung des Personenzugverkehrs hier eingesetzt wurde (nach dem 2. Weltkrieg zusammen mit dem Beiwagen VB 122). Nachdem das Verwaltungsgebäude der SEG in Darmstadt 1944 ausgebombt worden war, kam noch der VT 22 nach Reichelsheim, er wurde jedoch nicht eingesetzt, sondern diente der SEG lediglich als Ersatzbüro. 1964 kommt die erste Diesellok zur RRE, die V 21 wurde 1942 bei Jung gebaut, sie blieb bis 1972 bei der RRE/GBRE. Ihre Ablösung traf am 01.09.1971 in Gestalt der V 36 (Orenstein & Koppel, Fabriknr. 26718, Typ MC360N, 350 PS/265 kW, Gewicht 46,5 t, Hg 40 Km/h) bei der GBRE ein. Diese Maschine ist heute noch mit den Schotterzügen zwischen Groß-Bieberau und Reinheim im Einsatz: das Gersprenztal runter kann sie maximal 725 t befördern (weil die Strecke nach Reinheim rauf geht), in Richtung Groß-Bieberau dagegen 1250 t (das Gersprenztal rauf geht's nämlich runter!). Bei Ausfall der V 36 wegen Revision oder Reparatur kommen ersatzweise Dieselloks anderer DEG/Connex-Bahnen zum Einsatz wie z.B. 1989 die V 62 der FVE (Farge-Vegesacker Eisenbahn).

Werkstattwesen


Das "Bw" der RRE befand sich in Reichelsheim, es bestand anfangs aus einem 2-ständigen Lokschuppen mit 2 Abstellplätzen und dem üblichen Zubehör wie Kohlenbansen und Wasserkran. Im Laufe der Jahre wurde er durch einen größeren Schuppen mit Abstellmöglichkeiten für 4 Loks und den Triebwagen ersetzt. Daneben gab es noch eine Betriebswerkstatt, bestehend aus einer 2-ständigen Halle mit angebautem Wasserturm. Hier wurden aber nicht nur Wartung und Reparatur des rollenden Materials der RRE durchgeführt. Zusätzliche Aufgaben bestanden für die Werkstatt z.B. im Umbau von Reisezugwagen, sie führte aber auch Hauptuntersuchungen an Dampfloks anderer SEG-Bahnen durch. Zur Strecken- und Gleisunterhaltung gab es in Groß-Bieberau schließlich eine kleine Bahnmeisterei mit eigener Werkstatt und Lager.

Verkehr


Der Personenverkehr bestand anfangs aus 3 Zugpaaren, außerdem verkehrte samstags und montags ein Marktzug. Der Verkehr entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten bis in die frühen 50er-Jahre positiv, so daß immer mehr Personenzüge eingesetzt werden mußten. So verkehrten 1914 6 Zugpaare, 1937 9 Zugpaare und 1959 9 Zugpaare. Im Geschäftsjahr 1894/95 wurden knapp 100.000 Personen befördert, 1957/58 etwa 760.000 Fahrgäste, hier zeigte die Tendenz aber bereits stark nach unten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sogar eine Kurswagen - Verbindung mit Darmstadt eingerichtet, um den Berufspendlern das Umsteigen in Reinheim zu ersparen. Eingesetzt wurden Wagen der DB, anfangs die legendären "Langenschwalbacher", später 3-achsige Umbauwagen der Gattung B3yg. Bereits 1962 war der Sonntagsverkehr auf die Straße verlagert und samstags verkehrten nur noch 4 Zugpaare. Zum 26.05.1963 wurde der Personenzugverkehr dann komplett eingestellt.



Sommerfahrplan 1959 (gültig ab 31.05.59)


Der Güterverkehr wurde anfangs vor allem durch Manganerztransporte geprägt. Die Firma de Wendel aus dem lothringischen Forbach hatte für die 1880 oberhalb von Bockenrod in der Nähe des Morsbergs entdeckten Manganerzlager die Abbaurechte erhalten. In den ersten Jahren wurde das Erz mit Pferdefuhrwerken zur Bahnverladung nach Reinheim geschafft, in Erwartung der neuen Eisenbahn wurde dann 1886 eine Drahtseilbahn zum zukünftigen Bahnhof Bockenrod gebaut, und mit Inbetriebnahme der RRE wurde dann ein Erzzug von Bockenrod nach Reinheim eingesetzt. Bereits 1900 lohnte sich der Abbau der Manganlager nicht mehr, de Wendel machte die Grube dicht, und damit gingen der RRE beträchtliche Transportmengen und -einnahmen verloren. Hauptsächlich wurden Steine der Groß-Bieberauer Granitsteinbrüche, Holz und Zuckerrüben aus dem Gersprenztal versendet, geliefert wurden vor allem Düngemittel und Kohle. Der Expreßgut- und Stückgut-Verkehr bildete ebenfalls eine lohnende Einnahmequelle. Eingestellt wurde der Güterverkehr zwischen Groß-Bieberau und Reichelsheim im Mai 1964, auf den verbliebenen 3,2 Km zwischen Reinheim und Groß-Bieberau aber lebt der Güterverkehr: zwar wurden der Expressgut- und der Stückgut-Verkehr inzwischen eingestellt, auch die Zuckerrübenabfuhr wurde Ende der 80er-Jahre auf die Straße verlagert, aber die OHI als Betreiber der Reststrecke versendet hauptsächlich Gleisschotter für die Belange der DBAG, und auch der Werbemittelhersteller Hach, für den ein eigenes Anschlußgleis kurz vor dem Bahnhof Groß-Bieberau angelegt wurde, wickelte bis vor kurzem einen Teil seiner Transporte über die Schiene ab. Bis in die späten 90er-Jahre gab es montags bis freitags 2 Übergabefahrten nach Reinheim, heute reicht die morgentliche Übergabe aus, die in der Regel gegen 9/10 Uhr unterwegs ist.

100 Jahre Lieschen (und mehr ...)


Anläßlich des 100-jährigen Bestehens der Reinheim - Reichelsheimer Eisenbahn wurden vom 09. bis 11. Oktober 1987 erstmals Sonderfahrten zwischen Reinheim und Groß-Bieberau durchgeführt. Zum Einsatz kam damals die 98 727 mit alten Plattformwagen der DME Darmstadt - Kranichstein. Diese Lok der bayerischen Gattung BB II war zwar nie im Gersprenztal gefahren, aber sie ähnelte von ihrem Erscheinungsbild her stark den hier eingesetzten Malletloks der SEG. Aus welchen Gründen ein Einsatz der Museumslok DEG 146, die ja tatsächlich durch's Gersprenztal dampfte, scheiterte, ließ sich nicht mehr klären, wahrscheinlich wegen der weiteren Anreise und den damit verbundenen Überführungskosten. Diese Fahrten wurden jedenfalls ein voller Erfolg, so daß in den letzten Jahren mehrmals ähnliche Veranstaltungen (zum Teil auch in Verbindung mit dem Reinheimer Markt) durchgeführt werden konnten. Eingesetzt wurden dabei alle möglichen Museumslokomotiven, unter anderem die 24 009 des Eisenbahn-Kuriers, die preußische G 8 Mz 4981 und eine V 36.4 aus Kranichstein, die 89 7159 des Kuckucksbähnel (DGEG Neustadt/Weinstraße), die nach einer der Fahrten während des Umsetzens in Groß-Bieberau entgleiste und dadurch für einige Aufregung sorgte. Beenden will ich diese kurzgefaßte Geschichte vom Ourewäller Liesje mit einigen Bildern und den Schlußsätzen aus dem Vorwort zur Jubiläumsschrift "100 Jahre Eisenbahn im Gersprenztal" von Georg Dascher:

"Wenn diese Bahn nach 100 Jahren auch nur auf einem kleinen Rest der Strecke in das Jubiläumsjahr hineinfährt, sollte man nicht vergessen, daß sie für viele Menschen über mehrere Generationen hinweg segensreich gewirkt hat. Die einmal mit ihr geschaffene Möglichkeit, Menschen sicher und bequem an entfernt gelegene Arbeitsplätze der Industrie und zurück zu bringen, hat viele Familien vor Not und Abwanderung bewahrt. Damit ist die Eingliederung in die Geschichte unseres Odenwaldes hinreichend gerechtfertigt."

98 727 in Reinheim am 09.10.87

die Rübenverladung und -abfuhr war noch in vollem Gang ...
98 727 in Reinheim am 09.10.87 wartet auf die Ausfahrt Richtung Groß-Bieberau
98 727 in Groß-Bieberau am 09.10.87

98 727 in Groß-Bieberau am 09.10.87
98 727 in Reinheim am Einfahrsignal aus Richtung Groß-Bieberau am 10.10.87
V 36 in Reinheim am 24.08.89

24 009 überquert die Hahner Straße in Reinheim am 27.09.92
24 009 bei der Ausfahrt aus dem Reinheimer Tunnel am 27.09.92
Mz 4981 der DME abfahrbereit in Reinheim am 10.05.98


Vorgeschichte    Entstehung    Betreiber    Strecke    Fahrzeuge    Werkstattwesen    Verkehr    100 Jahre