Die Reinheim-Reichelsheimer Eisenbahn (3)


Fahrzeuge

Lok 61 in Reichelsheim am 19.03.1963


Lok 140 in Reichelsheim am 19.03.1963


DEG 146 aufgenommen in Bindweide am 22.05.1988


V 36 in Groß-Bieberau am 23.02.1987


V 62 der FVE in Groß-Bieberau am 05.05.1989


V 36 in Groß-Bieberau am 26.05.2001


Zur Erstausstattung der RRE gehörten 2 zweiachsige Tenderloks (gebaut von Hartmann & Sohn, Chemnitz), 4 Personenzugwagen 3. Klasse, 4 Personenzugwagen 2./3. Klasse, 1 Post-/Gepäckwagen, 1 offener und 1 gedeckter Güterwagen sowie 1 Bahnmeistereiwagen. Mit steigendem Verkehrsaufkommen wuchs der Bedarf an leistungsstärkeren Loks, so daß die kleinen Zweikuppler durch Maschinen der Bauart T 3 abgelöst wurden. Weiterhin wurden Mallet-Loks bei der RRE eingesetzt, jedoch lassen sich die genauen Einsatzzeiträume größtenteils nicht mehr genau ermitteln, da die SEG als Betreiber über etliche Nebenbahnen verfügte und somit ihre Loks öfters zwischen den Einsatzgebieten tauschte.

1935 gehörten 5 Loks zum Bestand der RRE. Bei der Übernahme der Bahn durch die DEG waren 3 Mallet-Loks vorhanden, und 1960 kamen noch 2 ELNA's hinzu, die zuvor bei der Kleinbahn Jauer - Maltsch und ab 1944 bei der ebenfalls zur DEG gehörenden Kiel - Segeberger Eisenbahn Dienst taten. Die Mallet-Loks wurden 1963 bzw. 1965 verschrottet, eine ELNA (die DEG 140) ebenfalls 1965, die zweite ELNA (DEG 146) kam am 01.07.1963 zur BLE (Butzbach - Licher Eisenbahn), von dort zu den Stahlwerken Südwest in Geisweid, heute gehört sie zum betriebsfähigen Bestand des Eisenbahnmuseums Bochum - Dahlhausen.

1931 kam dann der erste Triebwagen bei der RRE zum Einsatz. Der mit einem 50-PS-Benzinmotor ausgestattete Triebwagen wurde von der Kaiserstuhlbahn gekauft, er brannte 1933 nach einem Unfall aus und wurde verschrottet. Als VT 23 kam dann 1935 ein fabrikneuer MAN-Dieseltriebwagen zum Einsatz, der bis zur Einstellung des Personenzugverkehrs hier eingesetzt wurde (nach dem 2. Weltkrieg zusammen mit dem Beiwagen VB 122). Nachdem das Verwaltungsgebäude der SEG in Darmstadt 1944 ausgebombt worden war, kam noch der VT 22 nach Reichelsheim, er wurde jedoch nicht eingesetzt, sondern diente der SEG lediglich als Ersatzbüro.

1964 kommt die erste Diesellok zur RRE, die V 21 wurde 1942 bei Jung gebaut, sie blieb bis 1972 bei der RRE/GBRE. Ihre Ablösung traf am 01.09.1971 in Gestalt der V 36 (Orenstein & Koppel, Fabriknr. 26718, Typ MC360N, 350 PS/265 kW, Gewicht 46,5 t, Hg 40 Km/h) bei der GBRE ein. Diese Maschine ist heute noch mit den Schotterzügen zwischen Groß-Bieberau und Reinheim im Einsatz: das Gersprenztal runter kann sie maximal 725 t befördern (weil die Strecke nach Reinheim rauf geht), in Richtung Groß-Bieberau dagegen 1250 t (das Gersprenztal rauf geht's nämlich runter!). Bei Ausfall der V 36 wegen Revision oder Reparatur kommen ersatzweise Dieselloks anderer DEG/Connex-Bahnen zum Einsatz wie z.B. 1989 die V 62 der FVE (Farge-Vegesacker Eisenbahn).

Werkstattwesen


Das "Bw" der RRE befand sich in Reichelsheim, es bestand anfangs aus einem 2-ständigen Lokschuppen mit 2 Abstellplätzen und dem üblichen Zubehör wie Kohlenbansen und Wasserkran. Im Laufe der Jahre wurde er durch einen größeren Schuppen mit Abstellmöglichkeiten für 4 Loks und den Triebwagen ersetzt. Daneben gab es noch eine Betriebswerkstatt, bestehend aus einer 2-ständigen Halle mit angebautem Wasserturm. Hier wurden aber nicht nur Wartung und Reparatur des rollenden Materials der RRE durchgeführt. Zusätzliche Aufgaben bestanden für die Werkstatt z.B. im Umbau von Reisezugwagen, sie führte aber auch Hauptuntersuchungen an Dampfloks anderer SEG-Bahnen durch. Zur Strecken- und Gleisunterhaltung gab es in Groß-Bieberau schließlich eine kleine Bahnmeisterei mit eigener Werkstatt und Lager.

Verkehr


Der Personenverkehr bestand anfangs aus 3 Zugpaaren, außerdem verkehrte samstags und montags ein Marktzug. Der Verkehr entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten bis in die frühen 50er-Jahre positiv, so daß immer mehr Personenzüge eingesetzt werden mußten. So verkehrten 1914 6 Zugpaare, 1937 9 Zugpaare und 1959 9 Zugpaare. Im Geschäftsjahr 1894/95 wurden knapp 100.000 Personen befördert, 1957/58 etwa 760.000 Fahrgäste, hier zeigte die Tendenz aber bereits stark nach unten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sogar eine Kurswagen - Verbindung mit Darmstadt eingerichtet, um den Berufspendlern das Umsteigen in Reinheim zu ersparen. Eingesetzt wurden Wagen der DB, anfangs die legendären "Langenschwalbacher", später 3-achsige Umbauwagen der Gattung B3yg. Bereits 1962 war der Sonntagsverkehr auf die Straße verlagert und samstags verkehrten nur noch 4 Zugpaare. Zum 26.05.1963 wurde der Personenzugverkehr dann komplett eingestellt.



Winterfahrplan 1939 (gültig ab 01.12.39)




Sommerfahrplan 1959 (gültig ab 31.05.59)


Der Güterverkehr wurde anfangs vor allem durch Manganerztransporte geprägt. Die Firma de Wendel aus dem lothringischen Forbach hatte für die 1880 oberhalb von Bockenrod in der Nähe des Morsbergs entdeckten Manganerzlager die Abbaurechte erhalten. In den ersten Jahren wurde das Erz mit Pferdefuhrwerken zur Bahnverladung nach Reinheim geschafft, in Erwartung der neuen Eisenbahn wurde dann 1886 eine Drahtseilbahn zum zukünftigen Bahnhof Bockenrod gebaut, und mit Inbetriebnahme der RRE wurde dann ein Erzzug von Bockenrod nach Reinheim eingesetzt. Bereits 1900 lohnte sich der Abbau der Manganlager nicht mehr, de Wendel machte die Grube dicht, und damit gingen der RRE beträchtliche Transportmengen und -einnahmen verloren. Hauptsächlich wurden Steine der Groß-Bieberauer Granitsteinbrüche, Holz und Zuckerrüben aus dem Gersprenztal versendet, geliefert wurden vor allem Düngemittel und Kohle. Der Expreßgut- und Stückgut-Verkehr bildete ebenfalls eine lohnende Einnahmequelle. Eingestellt wurde der Güterverkehr zwischen Groß-Bieberau und Reichelsheim im Mai 1964, auf den verbliebenen 3,2 Km zwischen Reinheim und Groß-Bieberau aber lebt der Güterverkehr: zwar wurden der Expressgut- und der Stückgut-Verkehr inzwischen eingestellt, auch die Zuckerrübenabfuhr wurde Ende der 80er-Jahre auf die Straße verlagert, aber die OHI als Betreiber der Reststrecke versendet hauptsächlich Gleisschotter für die Belange der DBAG, und auch der Werbemittelhersteller Hach, für den ein eigenes Anschlußgleis kurz vor dem Bahnhof Groß-Bieberau angelegt wurde, wickelte bis vor kurzem einen Teil seiner Transporte über die Schiene ab. Bis in die späten 90er-Jahre gab es montags bis freitags 2 Übergabefahrten nach Reinheim, heute reicht die morgentliche Übergabe aus, die in der Regel gegen 9/10 Uhr unterwegs ist.

100 Jahre Lieschen (und mehr ...)


Anläßlich des 100-jährigen Bestehens der Reinheim - Reichelsheimer Eisenbahn wurden vom 09. bis 11. Oktober 1987 erstmals Sonderfahrten zwischen Reinheim und Groß-Bieberau durchgeführt. Zum Einsatz kam damals die 98 727 mit alten Plattformwagen der DME Darmstadt - Kranichstein. Diese Lok der bayerischen Gattung BB II war zwar nie im Gersprenztal gefahren, aber sie ähnelte von ihrem Erscheinungsbild her stark den hier eingesetzten Malletloks der SEG. Aus welchen Gründen ein Einsatz der Museumslok DEG 146, die ja tatsächlich durch's Gersprenztal dampfte, scheiterte, ließ sich nicht mehr klären, wahrscheinlich wegen der weiteren Anreise und den damit verbundenen Überführungskosten. Diese Fahrten wurden jedenfalls ein voller Erfolg, so daß in den letzten Jahren mehrmals ähnliche Veranstaltungen (zum Teil auch in Verbindung mit dem Reinheimer Markt) durchgeführt werden konnten. Eingesetzt wurden dabei alle möglichen Museumslokomotiven, unter anderem die 24 009 des Eisenbahn-Kuriers, die preußische G 8 Mz 4981 und eine V 36.4 aus Kranichstein, die 89 7159 des Kuckucksbähnel (DGEG Neustadt/Weinstraße), die nach einer der Fahrten während des Umsetzens in Groß-Bieberau entgleiste und dadurch für einige Aufregung sorgte. Beenden will ich diese kurzgefaßte Geschichte vom Ourewäller Liesje mit einigen Bildern und den Schlußsätzen aus dem Vorwort zur Jubiläumsschrift "100 Jahre Eisenbahn im Gersprenztal" von Georg Dascher:

"Wenn diese Bahn nach 100 Jahren auch nur auf einem kleinen Rest der Strecke in das Jubiläumsjahr hineinfährt, sollte man nicht vergessen, daß sie für viele Menschen über mehrere Generationen hinweg segensreich gewirkt hat. Die einmal mit ihr geschaffene Möglichkeit, Menschen sicher und bequem an entfernt gelegene Arbeitsplätze der Industrie und zurück zu bringen, hat viele Familien vor Not und Abwanderung bewahrt. Damit ist die Eingliederung in die Geschichte unseres Odenwaldes hinreichend gerechtfertigt."

98 727 in Reinheim am 09.10.87
die Rübenverladung und -abfuhr war noch in vollem Gang ...
98 727 in Reinheim am 09.10.87 wartet auf die Ausfahrt Richtung Groß-Bieberau
98 727 in Groß-Bieberau am 09.10.87

98 727 in Groß-Bieberau am 09.10.87
98 727 in Reinheim am Einfahrsignal aus Richtung Groß-Bieberau am 10.10.87
V 36 in Reinheim am 24.08.89

24 009 überquert die Hahner Straße in Reinheim am 27.09.92
24 009 bei der Ausfahrt aus dem Reinheimer Tunnel am 27.09.92
Mz 4981 der DME abfahrbereit in Reinheim am 10.05.98


vorherige Seite ... Seite 2    Vorgeschichte    Entstehung    Betreiber    Strecke    Fahrzeuge    Werkstattwesen    Verkehr    100 Jahre